Portrait
 
Ein schwimmender Alleskönner

Mit einem Flat-coated Retriever müssen nur diejenigen schwarzsehen, die sich vor der Anschaffung nicht gründlich über das intelligente Energiebündel informiert haben. Alle anderen werden mit dem Einzug eines Flat rosigen Zeiten entgegengehen.

Rein äußerlich kann der Flat-coated Retriever sein Setter-Erbe nicht verleugnen. Doch es steckt noch viel mehr in dem schönen Schwarzen von der britischen Insel. Als Stammvater aller Retriever-Rassen gilt der Mitte des 18. Jahrhunderts von Seeleuten aus Kanada importierte St. John´s Dog, ein kleiner Neufundländer, der sich sowohl durch eine hervorragende Nase als auch durch große Wasserfreudigkeit auszeichnete.
Dieser wurde mit einheimischen Retrievern und Settern gekreuzt, um einen mittelgroßen schwarzen Jagdhund zu schaffen, der leichter und wendiger war als der zu dieser Zeit in England sehr beliebte Wavy-coated (=welligfelliger) Retriever. Außerdem sollte die vierbeinige Neuschöpfung ein weiches Maul haben und leichtführig sein. Um ein seideneres und glattes Fell (= flat coat) zu bekommen, kreuzte man schließlich noch Collie-artige Hunde ein. In den ersten Würfen fielen immer wieder gelbe, braune und gescheckte Welpen oder solche mit lohfarbenen Abzeichen. Diese Farbvarianten waren jedoch allesamt unerwünscht, denn die Züchter wollten rein schwarze Hunde. Als Begründer der Zucht gitl Mr. Sewallis Evelyn Shirley. Er war im 1873 gegründeten englischen Kennel Club erster Sekretär. Außerdem führte er Standards und Stammbücher ein. Zeit seines Lebens verschrieb er sich dieser neuen Rasse und versuchte sie stets zu verfeinern. 1898 wurde der Flat-coated Retriever vom Kennel Club als Rasse anerkannt und war bald einer der beliebtesten Apportierhunde in England. Schon damals war es normal, diese Hunde nach einem jagdlichen Einsatz auch als Schönheit im Ausstellungsring zu präsentieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Zucht durch den stark geschrumpften Bestand mühsam wieder aufgebaut werden. Neben dem schwarzen Retriever kam nun auch eine leberbraune Variante auf. Einer der führenden Züchter war damals Colin Wells, Jagdaufseher des Herzogs von Rutland. Hunde aus seinem Zwinger haben den heutigen Flat-coated-Retriever-Typ maßgeblich mitgeprägt. Bis heute ist der Flat ein Multitalent geblieben und unterlag nie einer Spaltung in einen reinen Jagd- und einen reinen Ausstellungshund. Seit 1980 wird der elegante Vierbeiner auch in Deutschland gezüchtet. Mit einer Zahl von 50 bis 70 Welpen pro Jahr gehört der schöne Schwarze zum Glück noch nicht zu den Modehunden, und Interessenten müssen sich auf etwas Wartezeit einstellen. Echte Fans werden diese jedoch gerne in Kauf nehmen.
Die Zeit der Vorfreude sollte gut genützt weren, um sich umfassend über den zukünftigen Hausgenossen zu informieren. Der Flat-coated Retriever ist ein sehr guter Familienhund, aber er braucht unbedingt eine Aufgabe, und dabei ist er durchaus anspruchsvoll. Immer dieselben Spazierwege langweilen ihn ebenso wie stures Stöckchenwerfen. Zukünftige Besitzer müssen ein Flatleben lang ihre eigene Kreativität spielen lassen, um ihren intelligenten Vierbeiner auszulasten. Denn wird es ihm zu fad, sucht er sich selbst eine Beschäftigung, von der der Mensch nicht unbedingt begeistert sein muss.
Schon vor einer Anschaffung darf man nie vergessen, dass man sich mit einem Flat-coated Retriever einen Jagdhund ins Haus holt. Seine besondere Leidenschaft ist das Apportieren. Mit einer jagdlichen Ausbildung apportiert er seinem Jäger im Revier begeistert jegliche Wasservögel, aber auch Feder- und Haarwild. Wird er als reiner Familienhund gehalten, sollte er seine Leidenschaft anderweitig ausleben dürfen. Hierbei kann man sich zusätzlich seine schnelle Auffassungsgabe und Begeisterung am Lernen zunutze machen. Nun sind der Fantasie keine Grenzen mehr gesetzt.
Allgemein ist der vierbeinige Clown leichtführig und gut erziehbar, trotzdem ist auch bei ihm, wie bei allen Hunden, Konsequenz sehr wichtig. Damit das Jagdhundherz nicht doch mal unkontrolliert mit dem schlappohrigen Schnüffler durchgeht, ist vor allem im freien Feld guter Gehorsam wichtig. Da der Flat sehr sensibel ist, benötigt man in der Erziehung viel Einfühlungsvermögen. Härte und Drill sind Gift für eine intakte Beziehung zu dem schönen Vierbeiner. Zurechtweisungen erfolgen in der Regel nur über die menschliche Stimme. Durch Lob und Leckerli erreicht man bei dem temperamentvollen Retriever alles, denn er möchte seinen Menschen unbedingt gefallen. Als typischer Jagdhund mag er am liebsten immer und überall dabei sein und bleibt nicht gern alleine. Wegen seines großen Bewegungsdranges und Arbeitseifers ist er nichts für Langweiler und Stubenhocker.
Neben den bereits erwähnten Apportieraufgaben ist der fröhliche Brite für sportliche Aktivitäten jeglicher Art zu haben. Egal ob im Verein oder bei Berg- und Fahrradtouren im Familienkreis - "Hauptsache Abwechslung" lautet die Devise des vierbeinigen Energiebündels. Im Haus zeigt sich der Flat bei angemessener Auslastung angenehm ruhig, ausgeglichen und anschmiegsam.
Ein guter Wächter ist der freundliche Brite übrigens nicht. Zwar schlägt er bei ungewohnten Geräuschen an, jeder Fremde wird aber trotzdem schwanzwedelnd begrüßt. Nicht vergessen darf man neben dem Apportieren sein zweites großes Hobby: das Schwimmen. Als richtige Wasserratte ist keine Pfütze vor ihm sicher. Hat man keinen Teich oder Bach in der Nähe, kann man seinem schwarzen Seehund eine Riesenfreude mit einem hundeeigenen Plantschbecken im Garten machen. Und in die Urlaubsplanung wird am besten gleich ein Hundestrand miteinbezogen.
Manche Flats scheinen selbst nie erwachsen zu werden, sie bleiben bis ins hohe Alter verspielt und wahre Clowns. Sie lieben es, mit größern Kindern herumzutoben und mit ihnen gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen.
Ebenso bekannt ist die gute Verträglichkeit der Retriever mit Artgenossen, aber auch mit anderen Tieren. Kurzum: Die Teilnahme an einem abwechslungsreichen Familienleben ist das Lebenselexier eines jeden Schwarzen. Ein Wegsperren oder gar eine Zwingerhaltung ließe ihn körperlich und seelich zugrunde gehen. Am liebsten wäre dem temperamentvollen Naturburschen ein Haus oder eine Wohnung mit Garten.
Der Pflegeaufwand hält sich bei dieser Rasse in Grenzen: Wegen des langen Fells ist regelmäßiges Bürsten selbstverständlich. Gesundheitlich gilt der Flat als sehr robust.
Wer also einen vitalen, intelligenten und temperamentvollen Hund sucht und sich auf Dauer voll und ganz auf dessen Bedürfnisse einlassen will und kann, wird mit einem Flat-coated Retriever sicherlich voll ins Schwarze treffen.


Aus "Partner Hund"


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